Nova Scotia und Neufundland
Eine Fotoreise an die nördliche Ostküste Kanadas – dem «Atlantic Playground»
Neufundland und Nova Scotia. Diese Namen allein wecken Sehnsüchte – nach rauer Natur, salziger Meeresluft und dem Gefühl, ganz weit weg zu sein. Es war ein lang gehegter Traum, diese abgelegene Ecke Kanadas mit der Kamera zu bereisen. Im Juni 2025 war es endlich soweit: Die Reise führte mich erst privat zu lieben Freunden nach Nova Scotia. Anschliessend auf die Fotoreise entlang der atemberaubenden Küsten Neufundlands, vorbei an Leuchttürmen, zu den drolligen Papageitauchern, durch bunte Fischerdörfer und mitten hinein in die dramatische Szenerie der «Iceberg Alley».
Nova Scotia – Zwischen Küstenlicht und Farbenpracht
Nova Scotia, die kanadische Provinz, die bekannt ist für ihre zerklüfteten Küsten, charmanten Fischerdörfer und spektakulären Lichtverhältnisse. Vom geschäftigen Halifax bis zu den stillen Ecken von Cape Breton – jede Station war ein fotografischer Genuss.
Wegen einer technischen Störung des Flugzeugs verzögerte sich meine Anreise nach Halifax um einen Tag und ich musste auf der schon eher knapp bemessenen Zeit ordentlich Gas geben – leider.
Das Blue Cottage – zu Gast bei Freunden
Wohnen durfte ich während des Aufenthaltes bei meinen lieben Freunden Pam und Jean-Pierre, im charmanten Blue Cottage, nur einen Steinwurf vom Strand entfernt. In ihrem liebevoll eingerichteten BnB ist die Verbindung zur alten Heimat nicht zu übersehen. Von hier startete ich zu meinen Erkundungstouren.



Lunenburg – Farbenfrohes UNESCO-Juwel
Mein Weg führte mich erst südwärts nach Lunenburg, einem der malerischsten Orte der gesamten Provinz. Die Altstadt mit ihren farbenfrohen Holzhäusern, schiefen Gassen und Segelschiffen wirkte wie ein lebendiges Gemälde.
Weiter ging es entlang der Lighthouse-Route zur Mahone Bay. Die drei markanten, am Wasser liegenden Kirchen sind ein tolles Sujet, auch wenn es wegen des Windes mit der Spiegelung nicht wunschgemäss klappte. Im kleinen Fischerdörfchen Blue Rocks war mir der Wind dann gnädiger gesinnt. Während ich die Fischerhäuser ablichtete, besuchte mich ein Sandstrandläufer und er posierte so nett für mich, dass ich die Zeit vergass und auf einmal zu meinen Abendspot pressieren musste.






Peggy’s Cove – Wo das Meer Geschichten schreibt
Natürlich durfte auch ein Besuch in Peggy’s Cove nicht fehlen. Der ikonische Leuchtturm auf den glatt geschliffenen Granitfelsen ist ein Muss. Auch wenn man ihn schon tausendfach auf Fotos gesehen hat, ist das Erlebnis vor Ort unvergleichlich. Die Waldbrände in Zentralkanada und die Aschepartikel in der Luft bescherten mir einen traumhaften Sonnenuntergang. Ich konnte mich von diesem Ort kaum lösen.
Für mich als Schweizerin und Flughafenanwohnerin hat Peggy’s Cove auch eine tragische Bedeutung. 1998 stürzte hier Swissair Flug 111 in den Atlantik und alle 229 Insassen verloren ihr Leben.


Cape Breton – Naturdrama und stille Schönheit
Die nächste Etappe war die Umrundung von Cape Breton Island, auf dem berühmtem Cabot Trail. Die Panoramastrasse umschliesst den gesamten nördlichen Teil von Cape Breton und führt entlang zerklüfteter Felsenküsten und bewaldeten Bergen – windet sich Berge hinauf und wieder hinunter. Immer wieder bieten sich spektakuläre Ausblicke auf den Atlantischen Ozean. Als Highlight wanderte ich auf dem Skyline Trail entlang der felsigen Küste. Hier «hätte» ich grossartige Panoramablicke auf das tosende Meer und die majestätischen Berge gehabt. Ein heftiges Gewitter vereitelte meine Pläne. Ich harrte rund 90 Minuten unter einer Fichte aus, in der Hoffnung das Gewitter möge rasch vorüberziehen. Doch dem war nicht so, es regnete sich richtig ein. Enttäuscht wanderte ich im strömenden Regen zum Auto zurück.



In meiner Unterkunft – einem Motel mit sechs Zimmern – war ich der einzige Gast. Die etwas schrullige Besitzerin löcherte mich beim Einchecken mit vielen Fragen: «woher kommen sie, wohin reisen sie, sind sie denn wirklich alleine unterwegs». Ich fühlte mich ein wenig wie in Bates Motel und vergewisserte mich wirklich zwei Mal, ob meine Zimmertür auch abgeschlossen war. 😊
Halifax – Die lebendige Hafenstadt
Meine begrenzte Zeit reichte noch für einen kurzen Besuch in Halifax, der Hauptstadt der Provinz. Der geschäftige Hafen mit seinen alten Lagerhäusern, Segel- und Fischerbooten war eine tolle Mischung aus maritimem Flair und urbanem Leben. Auf dem drei Kilometer langen Halifax Waterfront Boardwalk kann man schlendern und dem bunten Treiben auf den Quais zuschauen.

Dann war Zeit zum Abschiednehmen von Nova Scotia, das nächste Abenteuer wartete auf mich: Die zweiwöchige Fotoreise in Neufundland. Ein kurzer Flug von Halifax nach St. John’s wo ich die Teilnehmer der Fotoreise kennenlernen durfte.
Neufundland – Zwei Wochen Fotoglück am Atlantik
Leuchttürme, wilde Küsten und Sonnenuntergänge
Kaum etwas verkörpert die maritime Romantik Neufundlands besser als seine Leuchttürme. Inmitten dieser wilden Natur trotzen Leuchttürme seit Jahrhunderten dem Atlantik. Dazu gehören Fischerdörfer mit bunten Holzhäusern, rostige Schiffwracks, Möwengeschrei und Nebelhörner. Genau das macht diesen Reiz aus. Besonders eindrucksvoll: Das Cape Spear Lighthouse, der östlichste Punkt Nordamerikas. Nirgendwo ist man näher an Europa als hier, wo die Sonne als erstes den Kontinent begrüsst.








Basstölpel und Papageitaucher – Freude an gefiederten Freunden
Am Cape St. Mary’s befindet sich eine der grössten Basstölpelkolonien Nordamerikas. Der Pfad zur Klippe führt durch Grasland. Schon beim Näherkommen kündigte sich die Kolonie akustisch an. Ein vielstimmiges, durchdringendes Kreischen. Dort angekommen, ist der Anblick überwältigend. Tausende von Basstölpeln, diese majestätischen Seevögel mit ihrem schneeweissen Gefieder, schwarzen Flügelspitzen und honiggelben Köpfen. Sie steigen in eleganten Spiralen empor, stürzen pfeilschnell ins Meer oder gleiten mit ausgestreckten Schwingen dicht über unsere Köpfe.






Nicht weniger spektakulär war der Besuch von Elliston, einer der Küste vorgelagerten Felseninsel. Nur wenige Meter trennten uns von den kleinen, bunten Papageitauchern, welche geschäftig ihre Nester auf der Felseninsel bezogen. Ihre leuchtenden Schnäbel und tapsigen Landungen sind ein Fest für jeden Fotografen. Zwei Mal durften wir diesen Ort besuchen, einmal während eines perfekten Sonnenaufgangs, d.h. «Puffin-Kitsch» vom Allerfeinsten.






Whale Watching – Begegnung mit den Giganten der Meere
Was für ein aufregendes Abenteuer – es ging mit dem Zodiac in horrendem Tempo aus dem Hafen in die weite Bucht hinaus auf der Suche nach Walen. Auch wenn das Meer eher ruhig war, musste man sich gut festhalten, die Schläge abfedern und auf seine Ausrüstung achten.
Dann wurde angehalten, die Stille tat gut. Wir hielten mit Ferngläsern Ausschau nach dem Blasen der Wale. Da! Eine Fontäne stieg senkrecht auf. Nur Sekunden später erhob sich eine massige, zerklüftete Rückenlinie aus dem Wasser: Ein Pottwal. Langsam, wie in Zeitlupe, glitt er durch die Oberfläche – majestätisch, archaisch. Dann wölbte sich der Rücken, ein kurzer Moment der Spannung, und mit einer eleganten Bewegung hob sich die riesige Schwanzflosse aus dem Meer. Tropfen glänzten in der Sonne, bevor er lautlos verschwand. Der Tauchgang begann – bis zu 2000 Meter tief, ca. 1 Stunde lang. Und zurück blieb: Gänsehaut pur! Sage und schreibe sechs Pottwal-Sichtungen durften wir erleben und fotografieren.
Gegen Ende der Tour erspähte unser Skipper einen breiteren, niedrigeren Blas. Ein neues Highlight kündigte sich an. Ein Finnwal, das zweitgrösstes Tier der Erde durchpflügte das Wasser. Seine Dimensionen sind unglaublich – über 20 Meter lang, fünf Mal so lang wie unser Zodiac. Der schlanke Körper mit der markanten Sichelflosse zog knapp unter der Oberfläche vorbei. Man sah die Haut flimmern, die Kraft der Bewegung, das lautlose Gleiten eines Ozeanriesen. Nochmals Gänsehaut pur!




Twillingate – Die Eisberghauptstadt
Twillingate, an der sogenannten «Iceberg Alley» gelegen, ist einer der besten Orte der Welt, um Eisberge aus nächster Nähe zu fotografieren. Das 10’000 Jahre alte Eis bricht in Grönland von den Gletschern ab und wird via Labradorstrom und Wind bis nach Neufundland getragen.
Die Eisberge sind teilweise bis zu drei Jahre lang unterwegs, treiben an der Küste vorbei oder stecken in den Buchten fest. Jahrtausendealtes Eis wird wieder zu Wasser.
Und was hatten wir wieder für ein Fotoglück! In einer Bucht nahe Twillingate fanden wir einen über 60 m hohen Koloss mit der Form des Matterhorns. Davor eine verfallene Bootshütte, in der Ferne Gewitterwolken, besser angerichtet ging gar nicht.
Einer der Teilnehmer sprach einen Fischer am Hafen an und konnte ihn ganz spontan zu einer Bootstour überreden. So konnten wir exklusiv mit einem kleinen Fischerbötchen um den mächtigen Eisberg tuckern und unsere Speicherkarten füllen. Danke Hansjörg für diese spontane Aktion!








Foto: Lisa B. Sells
Farbenfrohe Fischerdörfer – wie aus einem Gemälde
Neufundlands Dörfer sind ein Farbenspiel aus Gelb, Blau, Rot und Grün – fast so, als wollten sie der oft rauen Witterung trotzen. Besonders Trinity mit seinen liebevoll restaurierten Holzhäusern und Bonavista mit seinem pittoresken Hafen haben es mir angetan. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, alles war ruhig, ehrlich und authentisch.






Fazit – Fotoglück am Atlantik
Meine Reise durch Neufundland zu beinahe unberührter Natur wird unvergesslich bleiben. Die Kombination aus dramatischer Küste, faszinierender Tierwelt, arktischen Eisbergen und malerischen Dörfern ist ein Paradies für Fotografen. Wer Natur liebt, wird Neufundland nicht nur sehen – er wird es spüren.






Foto: Nadia Heitmar
Ich hoffe, ich konnte dich mit meinem Reisebericht und meinen Fotos unterhalten und dir einen kleinen Einblick in Magie der kanadischen Atlantikprovinzen Nova Scotia und Neufundland geben.
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit. Herzlich – Irene
Diese wunderbare Fotoreise wird im Juni 2027 von Thomas Heitmar, (Thomas Heitmar Fotografie & Verlag) wieder durchgeführt. Wenn du gerne fotografierst, die wilde Natur liebst und Lust auf Erlebnisse abseits ausgetretener Pfade hast, dann solltest du dir diese Abenteuer nicht entgehen lassen!
80 Grad Nord – Spitzbergen und Arktis
Anfang Mai 2024 verbrachte ich acht Tage auf einer Expedition rund um Spitzbergen und der Arktis. Als eines der ersten Schiffe der Saison wagte sich die MS Stockholm auf der westlichen Route rund um Spitzbergen und die Arktis. Ganz ohne Risiko ist so eine frühe Schiffsreise ins Nordpolarmeer nicht. Es stellte sich jeden Tag von neuem die Frage, ob die geplante Route mehrheitlich eisfrei und somit befahrbar sei. Die Situation kann sich innert Tagesfrist komplett verändern. Wo gestern eine eisfreie Passage war, kann Wind und Strömung das Packeis so dicht und dick zusammentreiben, dass am nächsten Tag auch für die MS Stockholm kein Durchkommen ist. Die schwedische Crew rund um Kapitän Magnus ist ungemein erfahren und hat alles dafür getan, die geplante Route für uns zu durchfahren. Als erstes Schiff fuhr die MS Stockholm durch den berüchtigten «Forlandsundet», eine die Reise verkürzende Route zwischen dem Festland von Spitzbergen und der vorgelagerten Insel Forland, gefürchtet wegen ihrer starken Strömungen.


MS Stockholm
Die MS Stockholm ist ein altehrwürdiges, klassisches Schiff, welches ursprünglich 1953 für die schwedische Schifffahrtsverwaltung gebaut wurde. Im Jahr 1998 wurde sie komplett überholt und trat ihre neue Reise als Polarexpeditionsschiff an. Mit ihren schönen Messingdetails und Holzdecks ist die MS Stockholm ein beeindruckendes Stück maritimer Geschichte, wegen ihres Charmes und ihrer Eleganz schlichtweg einzigartig. Seit 25 Jahren ist sie in den schwierigen Gewässern Spitzbergens unterwegs und hat bewiesen, dass sie auch entlegene Orte erreichen kann, die für grössere Schiffe unzugänglich sind.






Nach der Landung in Longyearbyen, der einzigen Siedlung auf Spitzbergen, ging es direkt an Bord. Nach der Zuweisung der Kabine und einer schnellen Verstauung des Gepäcks wurde schon in die gemütliche Lounge gerufen. Bei einem Welcomedrink erhielten alle acht Teilnehmer ein ausführliches Briefing für das Leben und Verhalten an Bord, sowie den geplanten Fahrten und Anlandungen mit den Zodiacs. Wetsuits und Rettungs-westen wurden zusammengestellt und für jeden individuell angepasst. Ein grosser Teil des Briefings betraf selbstverständlich das Verständnis für dieses einzigartige, fragile Ökosystem und die Herausforderungen, mit denen die arktische Tierwelt konfrontiert ist.
Die MS Stockholm ist Mitglied der AECO, «Association of Arctic Expeditions Cruise Operators». Diese Organisation stellt einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Tourismus in den bereisten Gebieten sicher. Sie ist vor allem bestrebt, Expeditionen mit dem grösstmöglichen Respekt vor Natur und Tierwelt durchzuführen.





Der Eisbär (Stunden über Stunden am Feldstecher)
Ein grosses Ziel jeder Arktisexpedition ist natürlich die Sichtung des Eisbärs. Ihn in der schier unendlichen Weite des Packeises zu finden, gestaltet sich ähnlich schwierig wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Alle acht Teilnehmer standen Stunden über Stunden mit dem Feldstecher an der Reling und suchten das Packeis und die Eiskanten des Festlandes ab. Die Guides und ein Teil der Crew tat dasselbe auf der Brücke. Bei –8 Grad und teilweise starkem Wind hält man das meist nicht länger als eine Stunde aus. In der gemütlichen Lounge gab es aber immer heissen Kaffee, Tee und Schokolade. Man konnte sich aufwärmen und wieder Leben in die steifen Finger bringen.
Wir hatten während der ganzen Expedition vier Eisbärsichtungen, drei davon nah genug, um tolle Fotos zu schiessen. Keiner einziger Eisbär wurde von den Reiseteilnehmern entdeckt. Es war unglaublich, wie versiert und ausdauernd unsere Guides waren! Selbst durch den Feldstecher nur als winzige gelbliche Punkte sichtbar, war jeder ihrer «Eisbäralarme» ein Treffer.
Bei einer Sichtung, die für eine Fahrt mit dem Zodiac geeignet war, hiess es, in 15 Minuten bereit sein. Ab in die warmen Kleider, dann in den Wetsuit, die Rettungsweste überziehen, die ganze Fotoausrüstung wasserdicht verpacken und los ging es! Wir sahen, dass der Eisbär entlang der Eiskante nordwärts lief und positionierten uns mit unserem Zodiac ungefähr einen Kilometer vor ihm. Nun kam das gespannte Warten – kam er in unsere Richtung oder wählte er seinen Weg landeinwärts? Er kam! Erst nur als kleiner Bär in der Ferne sichtbar, kam er direkt in unsere Richtung. Es war ungemein schwer, sich zurückzuhalten und nicht schon beim ersten Anblick dauernd auf den Auslöser zu drücken. Aufmerksam und doch scheinbar unbeeindruckt beäugte er uns immer mal wieder, zog an uns vorbei und verschwand so lautlos wie er gekommen war um die nächste Bergkante. Boooah, was für ein Gänsehautmoment! Auch auf dem Zodiac war es still, wir alle waren ergriffen und schauten uns nur voller Begeisterung an. Was für eine Begegnung mit dem König der Arktis!




Auch unsere zweite Begegnung war ein Riesenspektakel. Wir hatten in einer ruhigen Bucht an der Eiskante für die Nacht geankert und sassen um 22.30 Uhr beim Schlummertrunk in der Lounge. Einige hatten sich schon zum Schlafen in die Kabine zurückgezogen. Wir hörten ein lautes Poltern auf der Treppe von der Brücke. Christian, unser Super-Guide hatte einen Eisbären entdeckt. (Anmerkung: Auf dem 80. Breitengrad Nord geht die Sonne bereits Anfang Mai nicht mehr unter, sie streift nicht einmal den Horizont, d.h. es gibt nur eine leichte Dämmerung). Wieder einmal hiess es: alles anziehen - von langer Unterhose, bis zu Mütze und Handschuhen, Kamera packen und raus.
In weiter Ferne zog ein Eisbär entlang eines mächtigen Gletschers seines Weges. Ob sein Weg wohl in unsere Richtung führt? Lange beobachten wir ihn, immer kleiner wurde er und verschwand hinter einer Bergkante, viel zu weit weg, schade. Christian meinte allerdings, es bestehe eine Chance, dass der Eisbär über die Bergkante in die nächste Bucht wandere und wir ihn dort am nächsten Morgen erwischen könnten. Die Pläne wurden geändert, der Anker gelichtet und in die nächste Bucht gefahren, während wir uns in unsere Kojen schlafen legten. 2.30 Uhr, wieder lautes Poltern und Hämmern an die Kabinentür. Christian hatte recht – er war gekommen! Vom Pyjama in die ganze Polarausrüstung so schnell wie möglich. Und wie er kam! Auf äusserst fotogenem, wunderschön strukturiertem Packeis kam er direkt auf die MS Stockholm zu und näherte sich uns sicher bis auf ca. 250 Meter.
Grandios, überwältigend… nochmals ein solch nahe Begegnung, fast Auge in Auge. Ein Erlebnis, dass ich nie vergessen werde.




Walrosse und Robben
Walrosse und Robben sind viel leichter zu finden. Da sie sich meist in Gruppen auf dem Packeis oder Eisschollen aufhalten, kann man sie mit dem Feldstecher als dunkle Fläche relativ gut erkennen. Die Seehunde und Bartrobben sind in kleineren Gruppen anzutreffen, die Walrosse schliessen sich oft – vor allem während der Paarungszeit – zu grossen Verbänden zusammen.
Das Aussehen der Seehunde und Bartrobben mit ihren grossen Augen und dem unschuldigen Gesichtsausdruck begeisterte alle. Die Sichtung der Walrosse rief ebenfalls Begeisterung hervor, jedoch fanden die meisten ihr Aussehen nicht wahrlich schön und auch nicht fotogen. Ich bin da anderer Meinung: Ein Ausbund an Schönheit sind sie vielleicht nicht, mich faszinierten diese urtümlichen Kraftpakete, die bis zu 1200 kg schwer werden können. Trotz ihrer grossen Masse verleihen ihnen ihre sensiblen Tasthaare und die kleinen Augen einen sanften Gesichtsausdruck. Friedliche Gesellen.






Seevögel und der Zwergwal
Zu diesem frühen Zeitpunkt sind die gefiederten Gäste aus dem Süden noch nicht da und die Seevögel des Nordatlantiks, wie zum Beispiel Papageitaucher haben ihr Brutgeschäft noch nicht begonnen und leben noch weit weg auf dem offenen, eisfreien Meer.
Eismöwen und Eissturmvögel sind die ständigen Begleiter, wenn das Schiff auf Fahrt ist. Es ist eine Freude, diese anmutigen und geschickten Flieger zu beobachten.
Eiderenten, Gryllteisten und Lummen gehören zu den dauerhaften Bewohnern des Polarmeers und haben schon mit der Brautwerbung begonnen. Dies ist zeitweise lautstark zu hören.
Ganz kurz zeigte sich auch noch ein Zwergwal in einer Bucht… ich konnte in diesen 5 Sekunden lediglich ein Foto mit seiner markanten Finne schiessen, schon war er wieder abgetaucht. Eine tolle Begegnung allemal.






Ich hoffe, ich konnte dich mit meinem Reisebericht und meinen Fotos unterhalten und dir einen kleinen Einblick in diese faszinierende arktische Welt geben. Ich bewundere den Mut und die Hartnäckigkeit der Tiere und wie sie sich in diesem schwierigen Lebensraum behaupten.
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit. Herzlich – Irene

